Als unser Wir-Gefühl anfing, ‚Grenzen zu überwinden‘

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grenzen überwinden

Ein Klassiker in der Verhaltensforschung: Sie sitzen allein in einem Zugabteil – und plötzlich steigt jemand Fremdes beim Halt in einem Bahnhof hinzu. grenzen überwinden

Ein Eindringling. Grundsätzlich erst einmal. Wir spüren mehr Ablehnung als Offenheit. Das Zugabteil ist so etwas wie unser Revier geworden, auch wenn wir nicht alle 6 Plätze gebucht haben (das wär auch nicht grad nett) und prinzipiell ja auch kein Menschenfeind sind. Der Neue ist prinzipiell ein „Eindringling“ (von sehr attraktiven Begegnungen mal abgesehen), und es werden archaische Programme in unserem Stammhirn ausgelöst. Nur unsere gute Erziehung verhindert es, dass wir den Revierstörer angreifen und verjagen. Es wird „gefremdelt“ und genau beobachtet…

Und dann passiert Schritt 2: Stellen Sie sich vor, im nächsten Bahnhof betritt ein weiterer Gast das Abteil. Was geschieht nun? Richtig, die beiden fremdelnden Insassen verbünden sich spontan gegen den neuen „Eindringling“! Immer noch sind 4 Plätze frei… doch mit Jacken, Taschen, Proviant & Co kann man es schnell viel voller aussehen lassen… und so weiter. grenzen überwinden

Interessantes Phänomen, nicht wahr? Erkennen Sie Parallelen, zum Beispiel zum „Europäisierungsprozess“? Im 19. Jahrundert galt die Idee einer „Nation“ als etwas Unveränderliches. Vielerorts auch als gottgegeben. Das bedingt und bedingte Grenzen, Zollschranken, Kriege, etc. Dass das „vereinte Europa“ eben gerade auch ein menschlicher Entwicklungsschritt ist, das haben noch nicht Viele verinnerlicht.

Einfluss des offenen Internets

Stellen Sie sich in unserem Zugabteil-Szenario mal vor, Sie besitzen nun Internetzugang. Und Sie sind mit dem Menschen auf eine Art virtuell verbunden, der dann ins Abteil hinzukommt. Ein virtueller „Netzfreund“. Wie würden Sie sich nun verhalten?… grenzen überwinden

Wie ich im letzten Artikel bereits schrieb: Das Internet hat eine ungeheure, pionierhafte Arbeit geleistet – und eben auch unser „Menschenbild“ potentiell grundlegend verändert. Ein „Wir“ kann heute etwas völlig Anderes sein, als noch vor 20 Jahren.
Ist es wohl möglich, dass sich alle Menschen irgendwann als eine gemeinsame, soziale Gruppe begreifen (ich beschrieb es schon als „ein soziales Netzwerk“)? Oder bedarf es dazu erst eines nahenden Weltuntergangs, bevor sich etwa die Reichen Länder mit den Armen verbündeten? Dann im Kampf gegen eine neue, gemeinsame Gefahr, z.B. den Weltuntergang, eine riesige Klimakatastrophe, etc… (Schritt 2 des Zugabteilphänomens)?

Für Europa lässt es sich gut, wie bei einem abgeschirmten System, beobachten: Regionaler / nationaler „Ich-Protektionismus“ oder ein grenzübschreitendes Wir-Gefühl – wohin tendieren Sie persönlich?

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